Die Enduro-Rakete

Alexandra EckertMaterial

Unsere Erfahrungen mit dem Marin Alpine Trail XR.


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Im Mai hat Marin das komplett überarbeitete Alpine Trail XR vorgestellt. Im Vergleich zum Vorgänger wird das Bike jetzt mit Mullet-Bereifung und Alu-Rahmen inkl. Staufach ausgeliefert. Weiters wurde der Federweg auf 170/160mm erhöht, der Hinterbau neu entwickelt und ein Rahmen mit anpassungsfähiger Geometrie hergestellt. Der Radstand ist maßgeblich länger bei fast gleich gebliebenen Reach-Werten. Die Stack-Werte sind jetzt zeitgemäß höher und der Sitzwinkel bleibt ähnlich steil.

Marin bietet drei verschieden Ausstattungen und ein Frame Kit vom Alpine Trail XR in den Größen S, M, L und XL an. XR steht für „Xtra Rad“ und ist ein Hinweis auf das verbaute High-End Fahrwerk. Ausgeliefert wird’s als Mullet, ist aber dank eines Flip Chips auch als Full 29″ fahrbar. Per weiterem Flip Chip können Kettenstreben-Länge und Tretlager-Höhe verstellt werden. Und mittels Headset-Schale gibt’s gleich drei Einstellmöglichkeiten für den Lenkwinkel. Mit dieser Kombination lassen sich 12 unterschiedliche Geometrie-Konfigurationen erstellen, durch die man sich auf der Marin Webseite klicken kann. Der Rahmen ist komplett aus Aluminium und das ganze Radl bringt in der Größe M ohne Pedale 17,4 kg auf die Waage.

Ich bin das Bike in Medium und ausschließlich als Mullet im Setup mit neutralem Steuerrohrwinkel und tiefem Tretlager/langer Kettenstrebe gefahren.


Foto: Johannes Bitter

Mit meiner Körpergröße von 165 cm sollte ich nach der Empfehlung von Marin die Rahmengröße S fahren. Das Testbike in der Größe M hat aber nahezu den gleichen Reach wie mein eigenes Bike, also dachte ich: wird schon passen – was es auch tat.

Das einzige „Problem“ bei dieser Kombination: dass ich die Sattelstütze mit 170mm Hub (bei Rahmengrößen M/L verbaut) nicht ganz ausfahren konnte beim Treten (Small kommt mit einer 150mm Stütze).

Die Größen S und M werden mit einer 350 lbs-Feder ausgeliefert. Die hat sich mit meinen 60 kg gut angefühlt. Gefahren bin ich das Bike im Bikepark Maribor, am Plabutsch in Graz und auf der Reiteralm.


Bergab

Nachdem ich das Fahrwerk recht schnell und unkompliziert auf mich eingestellt hatte, bin ich die ersten Strecken in Maribor gefahren. Ich habe mich tatsächlich schon bei der ersten Abfahrt am Bike wohlgefühlt und das Setup hat bis auf kleine Nachjustierungen gepasst. Auf den wurzeligen Enduro-Trails, aber auch auf den üblich zerballerten Anliegern und manchen Huck-to-Flat Sprüngen konnte ich die Vorteile des Top-Fahrwerks genießen und einfach laufen lassen.

Das Alpine Trail XR fühlte sich ab der ersten Ausfahrt top an.

Bei der Eröffnung der neuen Enduro-Trails auf der Reiteralm konnte ich das Bike auch auf Loamern und engeren Trails testen, wo auch die schönen Fotos von Johannes Bitter entstanden sind.

In engen Kurven war der für mich ungewohnt lange Radstand kein Problem – das Bike war trotzdem wendig. Das Fahrwerk bzw. der Hinterbau hat über kleine Wurzeln sehr sensibel angesprochen und für viel Grip gesorgt.

Apropos: Der neue Hinterbau (MultiTrac 2 LT) soll durch weniger Anti-Rise für mehr Kontrolle beim Bremsen und grundsätzlich für mehr Gegenhalt in der Federwegsmitte sorgen. Klingt ja geil, aber wie fühlt sich das am Trail an? Mir ist aufgefallen, dass Schläge auch während dem Bremsen auf steilen Trailabschnitten noch gut aufgenommen werden und der Hinterbau sich nicht komplett hart anfühlt. Bzgl. Gegenhalt in der Federwegsmitte habe ich das beim Pushen über Wellen oder beim Rausdrücken aus den Kurven bemerkt – da hat das Bike richtig geil beschleunigt. Auch in den smoothen Anliegern und über die Sprünge der Jumpline fühlt sich das Endurobike richtig wohl.

Fühlt sich auf Sprüngen super an…
…und beschleunigt richtig.
Fotos: Johannes Bitter

Bergauf

Das Alpine Trail XR ist keine Rakete bergauf. Ich war bei eigentlich halbwegs angenehmer Steigung treten und war schneller als sonst am Limit. Es wird wohl ein Zusammenspiel aus dem hohen Gewicht (2 kg mehr als mein eigenes Bike), der höheren Front und den schlecht rollenden Assegai MAXXGrip Reifen sein. Ich konnte meine Kraft nicht so effektiv ins Bike bzw. auf den Weg übertragen wie sonst – und das trotz steilem Sitzwinkel und angenehmen Lockout am Stahl-Dämpfer. Vielleicht wäre es mit der Rahmengröße S besser gegangen, aber beim Bergabfahren hat mir das M wirklich gut gepasst. Dort spielt es seine Stärken komplett aus.

Foto: Johannes Bitter

Was mir sonst noch aufgefallen ist

Bremsen
Von der Ausstattung her fand ich die SRAM DB8 Bremsen nicht bissig genug. Meine Unterarme waren nach längeren Abfahrten fertig, weil ich den Hebel so fest ziehen hab müssen um Bremspower zu erhalten. Das ist das einzige Manko an der sonst tadellosen Ausstattung.

Flaschenhalter
Ich habe drei verschiedene Flaschenhalter ausprobiert und sie so weit nach oben geschoben, wie es nur ging, aber beim Montieren auf dem Staufach gibt es ein Platzproblem mit dem Dämpfer. Der Dämpfer ist bei allen drei Flaschenhaltern schon beim Draufsitzen durchs Einfedern bei der Flasche angestanden. Also bei den Größen S und M muss man einen geeigneten Flaschenhalter finden der hoch sitzt oder eine Flaschenhalter-Adapter verwenden (wie zum Beispiel den Cage Shifter von SKS Germany). Angeblich gehen sich auch Fidlock Systeme aus.
An der Unterseite vom Oberrohr habe ich es gar nicht probiert, da man an der Position aus Erfahrung die Flasche sowieso am Trail liegen lässt und platztechnisch habe ich optisch schon meine Zweifel.

Eindeutig: die Flasche muss weiter nach oben.

Schöne Details
Man merkt, dass Marin großen Wert auf die Optik legt. Jede Eigenkomponente (z.B. Lenker, Vorbau, Griffe) und jede Abdeckung bzw. Rahmenschutz sind mit sehr schönen Details versehen.

Haltbarkeit
Am letzten Testtag habe ich mir leider den Ellbogen und das Schulterblatt gebrochen, aber dem Bike ist nichts passiert.


Fazit

Ich würde das Bike am liebsten für den Bikepark oder für Enduro-Rennen mit ein wenig Liftunterstützung behalten. Für längere Touren würde ich andere Reifen probieren und müsste an der Sitzposition feilen. Aber jemand mit mehr Ausdauer oder einer anderen Relation zwischen Körpergewicht und Bikegewicht hat sicher auch schon weniger Probleme beim Treten als ich.

Über den Author

Alexandra Eckert

Gebürtige Kärntnerin, die seit geraumer Zeit die Enduro-Wegerl in Graz ihre Hometrails nennt. Wurde 2023 österreichische Meisterin am Pumptrack.

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